Gefahrene km ( Stadtrundfahrt und Fahrt zum Raadi-See 15 km)
Gesamtkilometer immernoch 1.860
Dann machte ich mich auf den Weg in die Stadt. Dazu musste ich etwa 4 km mit dem Rad rollen und war mitten im Zentrum.
Auf dem Weg dorthin kam ich an einer offenen Apotheke vorbei und kaufte mir eine vernünftige Bandage für Knie und Oberschenkel.
In der Nähe vom City-Center bereitete sich eine Formation aus Soldaten, Frauen in Uniform (die sahen aus wie von der Heilsarmee) und uniformierten Kindern auf einen Umzug zum Raekoja Plats vor. Dort befindet sich auch das Rathaus und die Skulptur der sich küssenden Studenten.
Dann wurden ewig lange Reden gehalten und ab und zu wurden einige
der Teilnehmer nach vorn gerufen. Ich nehme an, dass sie ausgezeichnet wurden. Ich fand einen Platz in einer Straßengaststätte direkt in der ersten Reihe und mit Blick aufs Rathaus und das gesamte Geschehen und konnte so nebenbei was essen.
Auf einmal lauter Motorenlärm von vielen Motorrädern, die einen Jeep eskortierten. Im Jeep wurde eine Fackel gehalten und am Rathaus übergeben. Ein Mann und 2 uniformierte Frauen verschwanden damit im Rathaus. Ich kann das alles hier nur wiedergeben, wie ich es gesehen haben. Der Kreis schließt sich für mich am Abend, als wieder 2 Frauen in Uniform mit dieser (?) Fackel am Raadi-See das Feuer zur Johannisnacht entzündeten. Von dieser Feier hatte ich mir etwas mehr versprochen. Eigentlich war es ein Rockkonzert auf der Bühne mit Lagerfeuer, Imbissbuden und Karussells für die Kinder. Gegen 23 Uhr bin ich gegangen und mit dem Rad zurück gefahren.
Ansonsten habe ich vom Rad aus das nicht sehr große Zentrum erkundet, was natürlich durch die geschlossenen Geschäfte wegen des Feiertages kaum Atmosphäre ausstrahlte.
Ich werde aber noch genug Gelegenheit haben, mir Tartu anzuschauen und in das von Detlef vorgeschlagene Nationalmuseum zu gehen, denn die Radtour "Per Rad ins Baltikum" ist hier in Tartu beendet.
Ich habe das schon bei den ersten Metern auf dem Weg in die Stadt und dann zum See gemerkt, so schaffe ich keine 200 km, auch nicht mit 50 km am Tag Ganz zu schweigen von meinem ursprünglichen Plan, eine Route entlang des Peipussees zu fahren.
Mir ist diese Entscheidung unheimlich schwer gefallen, 200 km vor dem Ziel vom Rad zu steigen und ich bin sehr traurig und enttäuscht darüber. Das wisst ihr sicher alle. Aber enttäuscht von wem und wovon? Es war eine erlebnisreiche, tolle, ja auch anstrengende und spannende Tour bis hierher. Das kann mir keiner nehmen.
Und trotzdem, der Traum von der Tour bis nach Tallinn mit dem Rad zu fahren, ist nicht in Erfüllung gegangen.
Wenn du auf den Mount Everest rauf willst und kehrst 800 m vor dem Gipfel um, dann fehlen dir diese 10% wie mir jetzt und du kannst niemals sagen, dass du drauf gewesen bist. Das Gipfelbuch liegt nur ganz oben.
Vielleicht habe ich meinem Körper zuviel zugemutet und zugetraut. Auch das muss ich akzeptieren. Am Willen und an der Kraft hat es nicht gelegen. Die Software war sozusagen in Ordnung, nur die Hardware ist veraltet.
Als ich mich aus Polen bei meinen Eltern meldete, die sich um mich große Sorgen machten, sagte mein Vater zu mir: "Junge, und wenn es nicht mehr geht, musst du auch den Mumm haben aufzuhören." Recht hat er gehabt, aber das fiel schwer zu tun.
Eine vernünftige Entscheidung zu treffen und den Mut zu haben gegen sich selbst entscheiden zu müssen, das musste ich heute neu lernen.
Ich bleibe noch 1-2 Tage in Tartu, fahre dann mit Bus oder Bahn nach Tallinn und werde mich riesig freuen, wenn Antje am 27. dort einfliegt.
Viele Dank an Antje, die Familie, Nachbarn und Freunde dafür, dass Ihr in Gedanken immer bei mir ward.
Und vielen Dank an Kerstin und Heinz, die dafür sorgten, dass die wichtigsten Arbeiten im Büro erledigt wurden.